Dienstag, 3. November 2015

„Viele meiner Kurzgeschichten könnten als Romananfang fungieren.“

Auf Wunsch von Scythia berichte ich heute davon, wie ich ans Schreiben von Kurzgeschichten herangehe. Dabei muss ich zu Anfang gestehen, dass ich gar keine konkreten Regeln oder Abläufe habe. Ich bezeichne mich zwar immer als Outlinerin, doch in Wahrheit bin ich oft ein Mix aus Outlinerin und Discovery Writerin. Und was Kurzgeschichten angeht, die entstehen meistens relativ spontan. 

Wie ich bereits berichtet habe, schreibe ich Kurzgeschichten meistens nur noch für Anthologieausschreibungen. Das heißt, das Thema ist festgelegt ebenso wie die Zeichenzahl. Meistens sprechen mich die Ausschreibungen mehr an, die relativ offen gehalten sind von den Vorgaben her. Also nicht so was wie „zwischen 16.000 und 18.000 Zeichen“. Eine Geschichte in genau diesen Rahmen zu quetschen, erscheint mir relativ schwierig. Zum Glück kommt das nicht besonders oft vor (die Herausgeber wissen meistens, wie es den Autoren mit zu strikten Vorgaben geht ;) ). Thematisch ist es mir wichtig, dass eine Richtung vorgegeben wird, am besten ein Genre. Erzählperspektive, auftretende Personen und Ereignisse wähle ich gerne selbst. Aber bevor das passieren kann, muss eines her: die Idee.

Das ist stets das Kniffligste. Schließlich muss man sich etwas einfallen lassen, das dem Thema entspricht. Bei manchen kann man ziemlich viel interpretieren und letztlich weiß man nicht, ob die Idee dann überhaupt noch passt. Im Zweifelsfall sollte man lieber nachfragen.
Ich zum Beispiel erinnere mich daran, dass ich während meiner Schulzeit in der AG für Kreatives Schreiben eine Geschichte zum Thema „Weltuntergang“ verfassen sollte (das war 2012, das erklärt alles, oder?). Jedenfalls habe ich damals eine Geschichte über einen persönlichen Weltuntergang geschrieben, den einer Person. Eigentlich war die Vorgabe anders gemeint, aber das Wort lässt nun mal Interpretationen zu.

Jetzt bin ich allerdings ein wenig abgeschweift. Was ich eigentlich sagen wollte, ist Folgendes:
Die Ideenfindung für eine KG ist grundsätzlich weit weniger schwierig als für einen ganzen Roman. Man braucht schließlich viel weniger Handlung und nur wenige agierende Personen. Die Schwierigkeit besteht darin, sich auf einen kurzen Teil einer längeren Handlung zu beschränken. Denn eine Kurzgeschichte beschreibt normalerweise ein wichtiges Ereignis aus dem Leben der Hauptfigur.
Okay, was man in der Schule lernt, gilt für heutige Kurzgeschichten vielleicht nicht mehr zwingend. Denn ein Ereignis über 30.000 Zeichen zu ziehen, erscheint schon sehr viel (es sei denn man schreibt am Finale eines Romans). Für kürzere Storys geht das jedoch. Eine Begegnung zwischen zwei Personen, ein Schussabtausch, eine Hetzjagd durch die Stadt. Kein Problem.

Kürzlich ist mir bei meinen KGs noch etwas aufgefallen: Sie könnten auch als Romananfang fungieren.

Solltet ihr jetzt die Stirn in Falten ziehen, kann ich das nachvollziehen. Schließlich soll ein abgeschlossenes Ereignis im Vordergrund stehen. Da kann also irgendwas nicht passen – von wegen! Kurzgeschichten sollen einen abrupten Einstieg in die Handlung und ein offenes Ende haben. Diese Merkmale wurden mir in der Schule beigebracht und ich habe gelernt, dass das tatsächlich funktioniert. Was nach dem beschriebenen Ereignis stattfindet, muss sich der Leser selbst vorstellen. Es regt die Fantasie an. Das ist extrem wichtig, da KGs nicht alles über die Figuren erzählen können.

Womöglich liegt es auch nur daran, dass ich generell eine Romanautorin bin. Aber ich stelle mir meistens eine größere Geschichte vor und picke mir ein passendes Ereignis heraus. Das ist dann eben oft der Anfang. Oder es ist das Ende, das kam bei mir früher häufig vor (das waren dann meist sehr negative/deprimierende Geschichten).
Natürlich gehen nicht alle Autoren so vor. Das ist auch gut so, denn so entsteht Vielfalt. Doch wer lieber Romane schreibt, sollte diese Technik mal ausprobieren. Einfach an einer spannenden Stelle abbrechen. Es ist auch egal, wenn ihr den Roman dazu nicht schreiben wollt – es ist immerhin eine Kurzgeschichte, die muss keine Fortsetzung haben.

Den Schreibprozess selbst schildere ich euch jetzt nicht im Detail. Wichtig ist vor allem, die Vorgaben im Hinterkopf zu behalten, falls es welche gibt. Also baut keine zusätzlichen Erzählstränge oder mögliche Geheimnisse ein, die nie gelüftet werden. So funktionieren KGs nicht. Da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Das habe ich zumindest schon öfters gelesen, ich empfinde das nicht ganz so. Da kann einer ruhig mal heulen wie ein Baby, statt nur zu heulen. (Okay, das Beispiel ist nicht das Beste, aber mir ist auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen.)

Einzige Ausnahme: Man ist über der vorgegebenen Zeichenzahl und muss kürzen. Das passiert mir so gut wie immer. Zwar habe ich meistens nicht mehr als 1.000 Zeichen zu viel, aber kürzt mal 1.000 Zeichen aus einer Geschichte mit 14.000 Zeichen. Für mich ist das nicht gerade einfach.

So, ich denke, ich habe genug geschwafelt. Solltet ihr das nicht so empfinden, freue ich mich natürlich, dass ihr so begeistert lest, was ich hier schreibe. Ich freue mich immer, wenn Leute meine Beiträge (zu Ende!) lesen ;)


Mit Grüßen vom Anfang oder Ende

Sabrina S.


PS: Falls ihr den Button in der Seitenleiste noch nicht gesehen habt: Ich bin dieses Jahr beim NaNoWriMo dabei! Einen ausführlichen Bericht über die ersten Tage findet ihr hier noch in dieser Woche ;)